Lediglich 9 Monate waren notwendig, um zum Ende der letzten Dekade eine neue Welle von empowerndem female Indie-Rock loszutreten. Zwischen September 2017 und Juni 2018 erschienen mit PHOEBE BRIDGERS „Stranger In The Alps“, SOCCER MOMMYs „Clean“ und SNAIL MAILs „Lush“ drei Alben, die mit der männlichen Hegemonie, die im Indie-Rock bis in die Nische herein den Diskurs bestimmt, brechen und gleichzeitig auf authentischste Weise das Alltagsleben als um-die-zwanzigjährige mit allen Schönheiten und Herausforderungen darstellen. Wo männliche Kollegen uns in ihren Songs gerne von ihren rosigen hetero Beziehungen vorschmachten oder ihren nicht so rosigen hetero Beziehungen vorklagen, brechen PHOEBE BRIDGERS, SOCCER MOMMY und SNAIL MAIL mit den vorgegebenen weiblichen Rollenmodellen.

Wenn SOCCER MOMMYs Sophie Allison ihren Song „Your Dog“ mit den Zeilen „I don't wanna be your fucking dog / That you drag around“ einleitet und daraufhin über eine missbräuchliche Beziehung singt, spricht sie damit Thema an, das im Indie-Rock kaum behandelt wird aber dennoch zum traurigen Alltag vieler Beziehungen gehört. Ein empowernder Song der dazu aufruft sich allen Rollenerwartungen zum Trotz zur Wehr zu setzen und damit ist er nur einer von vielen großartigen Songtexten im SOCCER MOMMY Universum!

Auch PHOEBE BRIDGERS lässt sich nicht unterkriegen! So kritisiert sie in „Motion Sickness“ ältere Männer, welche junge unerfahrene Frauen emotional und sexuell ausnutzen. Daneben stehen auf „Stranger In The Alps“ Songs wie „Smoke Signals“, auf denen BRIDGERS dann über ihre Ansicht einer wirklich traumhaften Beziehung fantasiert: Gemeinsam im Hotel einchecken, nur um sich gemeinsam einen Tag bedienen zu lassen und dann rebellisch in Höchstgeschwindigkeit durch die Stadt fahren und „Fuck the cops“ rufen. Dazu verträumte Gitarrenmelodien und die Gänsehaut ist perfekt!

Die Texte von SNAIL MAILs Lindsey Jordan stecken voller Teenage-Angst. Sommertage ziehen sich wie Kaugummi, die Angst vor dem Verlassen werden schmerzt und die Angst vor einem Neuanfang nach dem Ende der Beziehung führt von einer Panikattacke zur nächsten. Die radikale Emotionalität und der Mut offen über diese Gefühle zu sprechen, machen Lindsey Jordan zu einer Bezugsfigur vieler Teenager und Jordans offener Umgang mit ihrer Homosexualität gibt vielen queeren Teens eine musikalische Stimme.

Und nun, 2 Jahre später?

SOCCER MOMMY veröffentlichte zu Beginn des Jahres mit „Color Theory“ ihr neues, hochemotionales Album auf dem sie sich intensiv mit dem Thema Depression beschäftigt. „Color Theory“ besticht mit einfühlsamen Geschichten, Allisons dynamischer Stimme und einem spannenden Konzept: Jeder Song auf dem Album stellt eine Farbe dar, welche wiederum eine Stimmung wiederspiegelt. Die ersten vier Tracks sind blau, was für Trauer und Depression steht, die nächsten drei gelb, das physische und emotionale Krankheit symbolisiert und die letzten drei Songs grau, heißt leer und verlassen.
PHOEBE BRIDGERS hat mit der Single „Kyoto“ ihre neue Platte „Punisher“ für den 19. Juni angekündigt. Die Single erfrischt mit schwungvoller Melodie, Trompete und Flöten.

Auf die Ankündigung eines neuen SNAIL MAIL Albums müssen wir leider noch warten, allerdings ist vor einem Monat die unfassbar schöne, minimalistische Coverversion Lindsey Jordans von LITTLE JOYs „Evaporar“ auf Youtube erschienen. Wir sind gespannt auf alles was noch kommt!


(JDW)