Eins vorab: Wer glaubt, Musik dürfe sich ausschließlich aus Strophe-Refrain-Strophe-Schemata zusammensetzen, dürfte bei TIM HECKER falsch sein. Der Kanadier überrascht seit 2001 mit Sounds, die in keine Schublade passen. Zudem hat der Mann eine eigenwillige Vita: Studium, Arbeit für die kanadische Regierung, dann die Doktorarbeit. Er selbst bezeichnet seine Musik als Er „fake church music“ oder „neo metal drone“. Und in der Tat finden sich hier sakrale Klangkathedralen ebenso wie dräuende Soundorkane, die drücken und knarzen, dass man seine Boxen überprüfen möchte.

Mit „Love Streams“ legt der 1974 geborene Musiker jetzt den Nachfolger zum 2013er-Werk „Virgins“ vor. Auf der Internetseite seiner Plattenfirma 4AD heißt es,  die Platte sei inspiriert von Chorälen aus dem 15. Jahrhundert, die in eine Sprache der Ära künstlicher Intelligenz übersetzt wurden. Hecker wird zitiert, Es gehe ihm um „liturgische Ästhetik nach Yeezus“. Man sieht schon: Mit den elf Songs sollte man sich gründlich auseinandersetzen, aber es ist wie bei einem großen Bild, das sich einem erst erschließt, wenn man ein paar Schritte zurücktritt: Es macht großen Spaß, die Strukturen im scheinbaren Chaos zu erschließen, die Melodiefetzen aufzuspüren und sich nicht von der Komplexität der Musik ins Bockshorn jagen zu lassen. Entstanden ist das Album Ende letzten Jahres, als sich Hecker in Los Angeles und mit Johan Johanssen und Ben Frost ins isländische Greenhouse Studio eingenistet hatte.
 
Hier gibt es mit „Castrati Stack“ eine Hörprobe (mit einem Proxy-Plugin kann man den Youtube-Clip anschauen).
 
Die Tracklist:
 
01 Obsidian Counterpoint
02 Music of the Air
03 Bijie Dream
04 Live Leak Instrumental
05 Violet Monumental I
06 Violet Monumental II
07 Up Red Bull Creek
08 Castrati Stack
09 Voice Crack
10 Collapse Sonata
11 Black Phase
 
(der)